Evangelische Stephanskirche, Simmern/Hunsrück

Als sich am Morgen des 17. September 1689 der Rauch von den Trümmern verzogen hatte, lag die Stadt in Schutt und Asche. Das mittelalterliche Simmern war untergegangen. Gemäß der Maxime der verbrannten Erde hatte die französische Armee im pfälzischen Erbfolgekrieg das Schloss gesprengt, die Befestigungen geschleift und den Ort niedergebrannt. Weitgehend unbeschadet geblieben waren nur einige wenige Häuser, der Schinderhannesturm und die Stephanskirche.

Im Spätmittelalter begann der langsame Ausbau Simmerns zur Residenzstadt. Schon unter Pfalzgraf Friedrich I. († 1480) hatte man mit dem Bau des Schlosses begonnen, dem dann ab 1486 das Rathaus und die Schlosskirche folgten. Der eindrucksvolle Kirchenbau, an der oberen Grenze des Berghanges gelegen, gründet auf einer romanischen Wehrkirche. Bereits nach der Mitte des 15. Jahrhunderts war der Grundstein für den Neubau des Chores gelegt worden, dem dann ab 1486 die Errichtung des gotischen Langhauses folgte. 1509 konnte die Kirche geweiht werden. Die Gründe für den Neubau lagen im allgemeinen Ausbau Simmerns zur herzoglichen Residenz. Dem politischen Zentrum des Residenzschlosses sollte mit der Residenzkirche, die zugleich städtische Pfarrkirche war, ein geistig-spirituelles Zentrum gegenübergestellt werden. Hinzu kam der Wunsch nach einer herzoglichen Grablege. Errichtet wurde sie in der Anna-Kapelle. Verschont geblieben von allen Zerstörungen, birgt sie noch heute eine Fülle herausragender Grabdenkmäler. Auf engstem Raum beieinanderstehend zeigen sie den Wandel vom strengen Bildnisepitaph der Hochrenaissance hin zum spätmanieristischen Werk an der Grenze zur barocken Überfülle. Die hier versammelten Bildnisse der Verstorbenen künden zugleich von der kurzen und einmaligen kulturellen Blüte der kleinen Residenz unter der Herrschaft der älteren Linie der Herzöge von Pfalz-Simmern.

Die im Epitaphium versammelten Grabmäler sind zum einen der sichtbare Ausdruck des noch aus dem Spätmittelalter herrührenden Totengedenkens, durch das die Erinnerung an den Toten bewahrt wurde, und zum anderen – auch dies entsprach einer mittelalterlichen Vorstellung – der Gemeinschaft der Lebenden mit den Toten. Eine solche Ansammlung von Grabdenkmälern einer Adelsfamilie findet sich nur sehr vereinzelt im Hunsrück-Nahe-Raum. Die besondere Bedeutung der Simmerner Epitaphien liegt zum einen darin, dass sie zum größten Teil noch an ihrem ursprünglichen Standort stehen, und zum anderen, dass sie sich insgesamt in einem recht guten Erhaltungszustand befinden. Zuerst im Jahr 1522 und danach im Zeitraum von 1553 bis 1598, also innerhalb eines knappen halben Jahrhunderts, entstand hier eine Reihe von Grabdenkmälern, die man zu den Meisterwerken der Renaissance-Bildhauerei im deutschen Südwesten zählen darf. Geschaffen wurde sie von dem Meister Jacob Kerre, dem unbekannten „Meister von Simmern“ und von Johann von Trarbach, der mit seiner Werkstatt in Simmern selbst ansässig war.

Epitaphien sind eine wichtige Quelle für das Selbstverständnis und die Selbstdarstellung einer politischen Elite, hier der Herzöge von Pfalz-Simmern. Denn sie dienten nicht nur der religiösen Memoria, sondern auch der dauerhaften Manifestation des sozialen Ranges und der gesellschaftlichen Rolle der Verstorbenen. Daher war es also nicht die Aufgabe eines Grabdenkmals, das Aussehen der Verstorbenen exakt der Nachwelt zu überliefern, vielmehr sollte die Zugehörigkeit zu einem bestimmten sozialen Stand, zu einer Familie, einem Geschlecht zum Ausdruck gebracht werden. Das geschah mit Hilfe bestimmter Attribute, wie der Wappen, dazu gehörten jedoch auch prachtvolle Kleidung und Schmuck, die den hohen Stand ebenso widerspiegelten. Es ist also nicht das reale Bild der Verstorbenen, sondern ein ideales, das in der figürlichen Gestaltung und vor allem in den Grabinschriften zum Tragen kommt. Die Grabdenkmäler sind Bestandteile einer genealogischen Selbstdarstellung der Herzöge von PfalzSimmern, deren bildliche Verdichtung in solcher Intensität bis dahin im Hunsrück-Nahe-Raum wohl grundsätzlich unbekannt war.

© Werner Dupuis

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Fruchtmarkt 1
55469 Simmern/Hunsrück

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Telefon: 06761 / 3150

Gottesdienste
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Bitte wenden Sie sich an das evangelische Gemeindebüro, wenn Sie die Grabmäler der Simmerner Herzöge in der Anna-Kapelle besichtigen möchten.

Links: Doppelgrabmal für Herzog Reichard († 1598) und seine erste Gemahlin Juliane Gräfin von Wied († 1575) | Rechts: Doppelgrabmal für Herzog Johann II. († 1557) und seine Gemahlin Beatrix Markgräfin von Baden († 1535) | © Hunsrück-Museum Simmern